DAX-CEOs in den Medien: Wer führt die Debatte – und wer wird geführt?

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Auf absehbare Zeit werden die meisten deutschen Großkonzerne mit den Folgen der Corona-Pandemie zu kämpfen haben. Eine gute Ausgangsposition haben in diesen unruhigen Tagen diejenigen DAX-CEOs, die medial die eigene Agenda bestimmen können. Ein detailliertes Zitate-Ranking der DAX-30-Vorstände zeigt nämlich, dass Medienpräsenz nicht Themendominanz bedeuten muss.

Nennungen versus Debattenpräsenz

Ob Lufthansa, Volkswagen oder adidas – COVID-19 hat vielen Unternehmen eine erhöhte, aber nicht unbedingt erwünschte, Medienpräsenz verschafft. Es stellt sich allerdings die Frage nach der Wirkmächtigkeit: Wer hat die Debatten der letzten Monate zumeist geprägt und wer wurde von ihnen eher überrollt? Um das herauszufinden, haben wir einen genauen Blick auf die DAX-CEOs und ihre Unternehmen geworfen.

Unter Einbezug der inzwischen so weit entfernt scheinenden Zeit “vor Corona” wird der Impact des Virus auf die mediale Sichtbarkeit erkennbar (Beobachtungszeitraum: 01.08.2019 – 31.05.2020). Wenn es nach der schieren Masse der Nennungen geht, ist das Ergebnis wenig überraschend: Herbert Diess (Volkswagen), Carsten Spohr (Lufthansa) und Joe Kaeser (Siemens) dominieren hier das Feld ganz deutlich (siehe Grafik oben links). Die Analyse der tatsächlichen aktiven und passiven Debattenpräsenz der Vorstände – jeweils ins Verhältnis gesetzt zur Anzahl der Gesamtbeiträge – zeigt jedoch ein anderes Bild.

pressrelations-Analyse zu den DAX-CEOs und ihren Unternehmen

Mehr Zitate durch Corona

Für diese qualitative Analyse haben wir über eine automatische Codierung alle Beiträge erfasst, in denen die DAX-CEOs in syntaktischer Nähe zu Formulierungen der direkten oder indirekten Rede genannt wurden. Mittels 85 unterschiedlicher sprachlicher Kombinationen konnten so die relevanten Artikel herausgefiltert werden. Basis des Rankings waren die Top-15-DAX-CEOs nach reinen Nennungen im Zusammenhang mit ihrem Unternehmen in einem qualitativen Panel reichweitenstarker deutscher Onlinemedien. Der Sonderfaktor ‚Corona‘ wurde über einen entsprechenden Filter in die Untersuchung miteinbezogen. In der gefilterten Corona-Welt ergeben sich interessanterweise für alle DAX-Vorstandschefs erhöhte Redeanteile.

Die Telekom bringt sich beim Homeoffice in Stellung

In der exklusiven Betrachtung der Artikel mit Corona-Bezug führt Telekom-CEO Timotheus Höttges mit 74 Prozent direkten oder indirekten Zitaten. Viele Beiträge beziehen sich auf mehrere Wortmeldungen Höttges zum Thema Homeoffice. Aus der Autoindustrie kam im März fast unisono die Ankündigung von Kurzarbeit, den höchsten Zitatanteil hat hier Oliver Zipse von BMW (70 Prozent). An dritter Stelle mit 66 Prozent folgt Werner Baumann, der Vorstandschef des Pharmariesen Bayer, mit einer positiven Nachricht im Mai: Der potenziell zeitnahen Verfügbarkeit eines Therapeutikums zur Behandlung des neuen Virus.

Es fällt Schatten auf adidas

Wie hat sich der Corona-Faktor auf die mediale Wirkmächtigkeit insgesamt niedergeschlagen? Dazu werden in der Grafik oben rechts alle Zitate sowie die Wortbeiträge, die sich nur auf Corona beziehen, untereinander und mit der Gesamtmedienpräsenz, ins Verhältnis gesetzt. Anhand dieses Vergleichs lässt sich unabhängig vom absoluten medialen Vorkommen bestimmen, wer zu wie vielen Themen zu Wort kommt und wo die Tonspur sich fast nur auf Corona beschränkt.

Das augenfälligste Beispiel für eine stark Corona-getriebene Präsenz liefert adidas-Vorstand Kasper Rorsted. Von 52 Prozent Artikeln mit Zitat, nennen nur 16 Prozent den dänischen Manager in anderen Kontexten als Corona. Dieser mediale Fokus war nicht gerade positiv für den Sportartikelhersteller: Der anvisierte Stopp von Mietzahlungen für Ladengeschäfte, die enttäuschenden Quartalsergebnisse und der Ausfall von Olympia und Fußball-Europameisterschaft wurden im März und April zum Gegenstand oft hitziger Debatten. Ein Drittel des Zitataufkommens liefert bei Rorsted allein der März. Die Mehrzahl der Beiträge, die keinen Bezug zu Corona haben, befassen sich im November mit Rorsteds Umsatz- und Gewinnprognose für das Jahr 2019.

Die Lufthansa trifft es am härtesten

Aus dem DAX ausgelistet und trotz Milliardenhilfen sehr zögerlich bei der Rückzahlung von Flugtickets: Die Pandemie hat die Lufthansa in den letzten Monaten immer wieder mit Eklatmeldungen in die Schlagzeilen gebracht. Auch in unserer Analyse spiegelt sich der starke Einfluss von Corona wider: Zitate von Lufthansa-Chef Carsten Spohr beziehen sich zu 28 Prozent auf die Folgen des Virus für das Unternehmen, ein doppelt so hoher Wert als seine Wortbeiträge zu anderen Themen (14 Prozent). Wenn sich wiederum Joe Kaeser äußert, dann tut er das nur in 7 Prozent der Fälle im direkten Zusammenhang mit dem Virus – u.a. in einem ZDF-Interview zur Welt ‚nach Corona‘ und der Profiterwartung für die Monate April bis Juni.

Sehr ausgewogen ist das Ergebnis der Analyse bei Frank Appel, dem Vorstand der Deutschen Post: In 45 Prozent der Diskussionsbeiträge haben 20 Prozent einen Bezug zu Corona. Abseits davon geht es in zahlreichen Artikeln um das Produktionsende des vom Unternehmen produzierten Elektrolieferwagens Streetscooter (März 2020). Die Nachrichten im Corona-Kontext sind – anders als in der Luftfahrtbranche – teils durchaus positiv. So wurde trotz der globalwirtschaftlichen Verwerfungen die Dividende im März erhöht und der Konzern generierte im Mai 4.000 neue Arbeitsplätze.

Auch aktuell sieht es gut aus für die Post: Anfang August wurde verkündet, dass trotz COVID-19 im zweiten Quartal Umsatz und Gewinn gesteigert werden konnten. Noch immer kaufen viele Menschen lieber Online als vor Ort, was nicht nur bei Internethändlern, sondern auch bei der Post einen Boom an Paketlieferungen ausgelöst hat. Außerdem steht die Post mit ihrem globalen Frachtnetzwerk für die Verteilung eines Impfstoffes zur Verfügung.

Ausnahmezustand im März

Im 3. Monat des Jahres zeigt sich der Corona-Impact besonders prägnant. Obwohl bei Daimler-Chef Ola Källenius und adidas-CEO Rorsted die mediale Präsenz im Zeitverlauf stark divergiert – abnehmend und zunehmend, respektive – haben beide im März eine hohe Debattenpräsenz (siehe Grafik unten). Nur 10 Prozent von insgesamt 39 Prozent direkter oder indirekter Zitaten stehen bei Källenius im Zeichen der Pandemie. Der März ist da ganz klar die Ausnahme von der Regel: Wenn Källenius befragt wird, geht es wie bei der Konkurrenz um Kurzarbeit, aber auch um eine Absage an Staatshilfen und eine Zusage zur Dividende. Dass Källenius mit Daimler 2020 den CO2-Ausstoß seiner Autos um ein Fünftel senken möchte, bleibt im tägliche Rauschen der Corona-Berichterstattung weitestgehend unter dem Radar der Medien.

Wer darf Debatten anstoßen? Und wer wird zum Spielball der Medien? Ob jemand eher aktiv oder reaktiv im Mediengeschehen erscheint, zeigt sich nicht nur an der schieren Menge der Beiträge, sondern vor allem auch daran, ob und wie die selbstgesetzte Agenda medial vorkommt. Diese retrospektive Analyse bildet in ihrer Granularität nicht nur Redeanteile ab, sondern auch inwiefern Themen selbst gesetzt werden konnten und dient so als Basis einer zukunftsgerichteten Pressearbeit.

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