Feedback in agilen Teams

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Feedback kann jeder. Oder? Sandra Meurer, Agile Coach bei pressrelations, berichtet von ihren Erfahrungen zum richtigen Umgang mit Feedback in Unternehmen und gibt hilfreiche Tipps, wie eine konstruktive und wertschätzende Feedback-Kultur etabliert werden kann.

„Boah, du bringst mich auf die Palme! Du bist der faulste Mitarbeiter der Welt, unpünktlich und unzuverlässig. Du machst nur Ärger und wenn du nicht so hilfsbereit wärst und gut aussehen würdest, wärst du sicher längst geflogen.“

Sollte es nicht einfach sein, anderen Feedback zu geben? Die Meinung zu sagen, ohne ein Blatt vor den Mund nehmen zu müssen; zu sagen, wo es langgeht und andere von der Richtigkeit der eigenen Meinung zu überzeugen – ist es das, was Feedback ausmacht? Ist das konstruktiv?

Ganz sicher nicht.

Aber was ist dann konstruktives Feedback, insbesondere im Kontext einer agilen Arbeitsweise?

Konstruktives Feedback ist wertschätzend

Es ist wichtig, den Mitarbeitenden zu spiegeln, dass sie gute Arbeit leisten und gesehen werden. In agilen Teams wird das Gesehenwerden „von oben“ im Idealfall durch das Gesehenwerden „auf Augenhöhe“, d.h. von den Teamkollegen, aufgefangen. Es ist hierbei eine Stärke, die Stärken anderer sehen und anerkennen zu können. Ebenso wie es eine Stärke ist, anderen wertschätzend zu spiegeln, wie sie sich weiterentwickeln können und sollten.

Bitten wir unser Umfeld selbst aktiv um Feedback, geht es uns oftmals darum, eine Bestätigung und Wertschätzung unserer Person oder Arbeit durch unser Gegenüber zu erhalten. Im Arbeitsalltag wird Feedback dagegen leider zumeist nur mit der Bitte um eine Verhaltensänderung gleichgesetzt.

Beide Aspekte zusammen ergeben das Gesamtbild: Bei konstruktivem Feedback spiegelt der Geber seinem Gegenüber in bestem Wissen und Gewissen wertschätzend und auf Augenhöhe die eigene Wahrnehmung, um positiv auf die Person einzuwirken. Dies kann durch positive Bestärkung ebenso wie durch die wertschätzende Bitte um eine Veränderung geschehen.

Konstruktives Feedback ist eine Frage von Kultur und Kommunikation

Konstruktives Feedback geben und ebenso annehmen zu können, ist sowohl im Arbeitsumfeld als auch im Privaten eine kommunikative Herausforderung. Wir reden hier davon, Menschen offen zu spiegeln, was wir etwa von ihrem Verhalten, ihrer Arbeit, ihrem Gesagtem oder Getanem halten – das macht es so herausfordernd.

Menschen, anders als Künstliche Intelligenz, funktionieren nicht binär. Jeder Mensch hat eigene Gefühle, Erfahrungen, Sozialisierungen, Glaubenssätze, innere Pluralitäten, Befindlichkeiten und Bedürfnisse. Kommunikation ist von zentraler Bedeutung, wenn Menschen miteinander agieren und gut arbeiten wollen.

Menschen verbinden sich auch im Arbeitskontext über die zentralen menschlichen Bedürfnisse des Zuhörens und Gehörtwerdens. Hierüber schaffen sie eine gleiche Wellenlänge.

Nicht nur in interkulturellen Teams können die Lebensrealitäten und Sozialisierungen Einzelner dabei weit auseinander liegen. Ein agiles Arbeitsumfeld möchte eine Unternehmenskultur fördern, in der die Mitarbeitenden sich gegenseitig unterstützen und ermutigen und so gemeinsames Wachstum fördern und fordern. 

Feedback in agilen Teams

In einem solchen komplexen und lebendigen System wie dem (agilen) Team, das von der erfolgreichen Zusammenarbeit seiner Teammitglieder lebt, ist konstruktives Feedback unverzichtbar. Es ermöglicht auf wertschätzende Art eine stetige Weiterentwicklung des Teams und zahlt so nicht zuletzt auf die Arbeitsleistung und Produktivität in einem solchen wendig-performanten Team ein.

Zudem fördert es offene und direkte Kommunikation auf Augenhöhe und ist durch den vertrauensvollen Umgang miteinander ein wichtiges Tool zur Teambildung und -bindung. Schließlich bietet es auch die Chance, aus Fehlern zu lernen und blinde Flecke durch einen Perspektivwechsel zu überwinden.

Im Zentrum steht die gemeinsame wertschätzende Haltung, die im agilen Umfeld mit der Prime Directive nach Norman L. Kerth auf den Punkt gebracht wird.

“Regardless of what we discover, we understand and truly believe that everyone did the best job they could, given what they knew at the time, their skills and abilities, the resources available, and the situation at hand.”Norman L. Kerth, Project Retrospectives: A Handbook for Team Review

Wie geht man es nun praktisch an, das große Thema Feedback im Team?

Es gibt verschiedene Modelle und Ansätze, die als Rahmen dienen können, um effektiv Feedback zu geben und aufzunehmen.

  • Das kommunikationspsychologische Modell nach Marshall B. Rosenberg (Gewaltfreie Kommunikation oder GfK) kann in teambegleitenden Feedbackprozessen wunderbar als Fundament herangezogen werden. Bezogen auf den kommunikativen Prozess steht das „Wie“ im Vordergrund (Wie höre ich die Botschaft meines Gegenübers und nehme diese auf?). Der Anspruch dieses Kommunikationsmodells ist es, Bitten auf Basis echter Gefühle und Bedürfnisse zu formulieren und Beziehungen zu stärken. Der Kommunikationsanlass ist immer eine Beeinträchtigung meines Wohlbefindens. Das GfK-Modell arbeitet mit Ich-Botschaften, eigenen Empfindungen und Interpretationen. Feedback sollte dabei unmittelbar und so oft wie nötig gegeben werden, dies kann bilateral oder moderiert durch den prozessbegleitenden Team-Coach stattfinden.
  • Ein Peer Review ist ein dreistufiger Feedback-Rahmen für Teams. Nach einer Selbstevaluation des entsprechenden Teammitglieds (Was klappt gut? Was klappt weniger gut? Was macht mir Sorgen? Welche Ziele habe ich? Was brauche ich von meinem Team, um gut arbeiten zu können?) geben die anwesenden Teammitglieder ihr Feedback und können sich an folgenden Fragestellungen orientieren: Was schätze ich an meiner Zusammenarbeit mit dir? Auf welchem Gebiet sehe ich bei dir Wachstumspotential? Ein anschließendes Reflexionsgespräch zwischen dem Feedbackempfänger und ein bis zwei Teammitgliedern kann vor dem Hintergrund folgender Fragen stattfinden: Was nimmst du aus dieser Diskussion mit? Was hast du daraus gelernt? Worauf möchtest du in Zukunft achten?

In der Praxis hat es sich darüber hinaus als hilfreich herausgestellt, wenn der Team-Coach das Team im Prozess begleitet und hilft, den Rahmen zu halten. Hierzu zählt auch ein Zeitmessen des Feedbacks durch den Coach, um auch inhaltlichen Fokus zu halten und sich auf Wesentliches zu konzentrieren.

Wie nehme ich Feedback gut an?

Essenziell für einen erfolgreichen Feedbackprozess sind neben einem geeigneten Rahmen, Haltung und Verhalten aller Beteiligten. Für alle beteiligten Personen ist es hilfreich, konstruktives Feedback als Chance statt als Störung zu begreifen.

Offen für Kritik sein ohne sich angegriffen zu fühlen, erfordert einiges an Übung. Auch hier gilt: auf die Technik kommt es an. Der Feedbacknehmer kann sich dabei an den 3 ZEN-Elementen (Zuhören, Entspannen, Nachdenken) orientieren. Es ist wichtig, dem Gegenüber ruhig zuzuhören, auch wenn der Impuls zu zwischenzeitlicher Rechtfertigung und Diskussion ohne Übung sehr stark werden mag.

Feedback möglichst entspannt entgegenzunehmen ist wichtig, um für die Botschaften empfänglich und offen sein zu können – im besten Fall sogar dankbar. Während des Feedbacks ist es für den Nehmer sinnvoll, möglichst objektiv zu erfassen, was das Gegenüber sagen will. Erst nach dem Feedback sollte durch Nachdenken und gegebenenfalls Nachfragen um Erläuterung und Ratschläge zu Verbesserungspotential gebeten werden.

Wie gebe ich gutes Feedback?

Der Feedbackgeber sollte mit einer möglichst positiven Grundhaltung von „ich bin ok und du bist ok“ in das Gespräch zu gehen, um dem Gegenüber zu helfen und es nicht zu demotivieren. Eine positive Ausrichtung des Gesprächs mit Hilfe eines Reframings hilft, Feedback wertschätzend und respektvoll zu gestalten. Zusätzlich sollte der Geber darauf achten, die sogenannten 3 Bs zu vermeiden: Beurteilen, Bewerten, Belehren.

Hierbei kann sich der Geber an den WWW-Grundfragen (Wahrnehmung, Wirkung, Wunsch) orientieren.  Beobachtbare Fakten sollten möglichst klar und präzise wiedergegeben werden.  So kann dann jeder bei den eigenen Empfindungen Interpretationen einfließen lassen, sollte Hypothesen aber verifizieren oder falsifizieren lassen und dem Gegenüber spiegeln, welche Gefühle sein Verhalten bei dem Feedbackgeber auslöst und was das für den Feedbackgeber für Konsequenzen hat. Und schließlich: was wünscht sich der Feedbackgeber stattdessen von seinem Gegenüber?

Mögliche Herausforderungen

Obwohl Feedback ein gutes Instrument ist, um die Teamarbeit und Teamdynamik zu verbessern, sind Herausforderungen zu bewältigen. Diese können (arbeits-)kultureller, organisatorischer oder individueller Natur sein. Gerade für neue Mitarbeitende, denen Feedbackprozesse fremd sind, ist es unangenehm, vermeintlich beleidigende oder verletzende Dinge zu sagen und ebenso zu hören.

Es ist eine Herausforderung für beide Seiten des Feedbackprozesses, nicht in eine belehrende einseitige Meinungsäußerung zu verfallen, sondern wertschätzend-positiv und konstruktiv-motivierend zu agieren. Feedback ist eine persönliche Rückmeldung und kommt immer auch als eine Bewertung daher. Für den Feedbacknehmer ist die Haltung, offen für Kritik zu sein ohne sich angegriffen zu fühlen und in Widerstand zu gehen, essenziell. Nur dann kann Feedback eine Verhaltensänderung herbeiführen und bei dem Teammitglied wirklich etwas bewirken.

Fazit

Eine Feedback-Kultur im Unternehmen zu etablieren, um langfristig erfolgreich zu sein, erfordert viel Engagement. Institutionalisiertes Feedback braucht Mut, Zeit, gute Begleitung und vor allem das richtige Mindset. Feedback ist jedoch eine große Chance für (agile) Teams und letztlich Unternehmen, eine erfolgreiche Teamarbeit zu entwickeln und überhaupt erst zu ermöglichen.

Und als kleine Anregung zum Abschluss: Wie könnte man das „Feedback“ vom Anfang dieses Artikels konstruktiv formulieren?

„Du bist ein hilfsbereiter Kollege und eine Bereicherung für das Team. Letzte Woche hast du aber zweimal die Deadline nicht eingehalten und einen falschen Artikel aufgenommen. Der Kunde hat sich daraufhin massiv beschwert. Das hat mich sehr geärgert, da es mich gestresst hat, die Unzufriedenheit abzufangen. Ich bitte dich, deine Arbeitszeit so zu planen, dass du die Deadline einhalten kannst und die Artikelauswahl sorgfältig umsetzen kannst, sonst werden wir als Team in Bedrängnis geraten“.

Weitergehende Einblicke zum Thema erhalten Sie in unserem Webinar „Navigating Feedback – Turbo-Booster für Ihre Organisationsentwicklung“ am 5. Dezember 2023 mit unseren Agile Coaches Sandra Meurer und Thomas Markus.

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